„Chinesenaktion“, 13. Mai 1944

„Chinesenaktion“, 13. Mai 1944

 

Heute vor 77 Jahren führte die Gestapo Hamburg die „Chinesenaktion“ durch und verhaftete in St. Pauli 129 Männer. Unter Leitung von Erich Hanisch, eines Täters des Holocaust, durchkämmten Polizei und Gestapo die chinesischen Lokale und Wohnungen im „Chinesenviertel“ in der Schmuckstraße und in benachbarten Straßen. Die offizielle, vorgeschobene Begründung lautete „Feindbegünstigung“; tatsächlich vollzogen radikalisierte Täter die NS-Rassenpolitik, ohne dafür einen Befehl aus Berlin zu benötigen. Der Rassismus reichte jedoch auch weiter zurück und prägte bereits in den 1920er Jahren das polizeiliche Handeln mit Massenausweisungen und dem verschärften Hafengesetz 1925.

 

 

Am 13. Mai 1944 verschleppte die Gestapo die teils schon älteren chinesischen Männer ins Gestapogefängnis Fuhlsbüttel. Teils monatelang misshandelten Hanisch und andere Gestapomänner die Chinesen auf brutale Weise. Im Herbst 1944 überstellte die Gestapo eine Gruppe von 60-80 chinesischen Gefangenen ins „Arbeitserziehungslager Wilhelmsburg“, nach der angrenzenden Straße auch „Langer Morgen“ genannt. Unter katastrophalen Bedingungen und tagtäglicher Gewalt mussten die Gefangenen Zwangsarbeit in umliegenden Betrieben und bei der Trümmerbeseitigung leisten. Mindestens 17 chinesische Männer starben an den Folgen des NS-Terrors, wie eine britische Untersuchung 1948 und neuere Recherchen von mir für das St. Pauli-Archiv ergaben. Auch deutsche Partnerinnen von chinesischen Migranten wurden Opfer der NS-Verfolgung, mussten sich teilweise verstecken und wurden in einigen Fällen in KZ Ravensbrück eingewiesen.

 

 

Nach Ende der Zweiten Weltkrieges kehrten die meisten chinesischen Migranten nach China zurück und nur 30 Männer blieben in Hamburg. Bis in die 1960er Jahre bemühten sich einige von ihnen um eine offizielle Anerkennung der NS-Verfolgung – vergeblich. Das Trauma des nationalsozialistischen Terrors lastete auf der chinesischen Community. Seit den 1980er Jahren behandelten dann Journalist*innen und später auch Wissenschaftler*innen und Künstler*innen in Filmen und Ausstellungen die Geschichte des „Chinesenviertels“ und der „Chinesenaktion“. Im Juni dieses Jahres werden in der Schmuckstraße weitere Stolpersteine von namentlich bekannten chinesischen NS-Opfern verlegt werden. Es war ein langer Weg zur Erinnerung.

 

 

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